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"Pour la Gloire!"

Ja, "Pour la Gloire" ist's geschehn,
Die Kugel kam gewettert,
Und eh ich um mich konnte sehn,
War mir das Bein zerschmettert.
Wohl hing's im losen Fleische noch,
Und als ich fort auf Dreien kroch,
Da kam es mitgeschlettert.

Im Scheunenhospital sodann
Da nahm der Arzt das Messer
Und sprach: "Was solche Kugel kann,
Das können wir noch besser!"
Und Schnitt auf Schnitt drang mir ins Mark,
Ich muckte nicht, ich hielt mich stark,
Der richt'ge Eisenfresser.

Denn mir zur Seite stand ein Bild
In all der Not und Schmerzen,
Das sah auf mich, das war mein Schild,
Statt jammern tät ich scherzen.
Wie eine liebe, weiße Hand
Lag es auf meiner Stirne Brand,
Lag es auf meinem Herzen.

"Zum lieben Hause komm zurück!"
So hört' ich's lockend schallen,
Als von dem Messer Stück für Stück
Mein armes Bein gefallen.
Und bald drauf schnitt ich, jauchzend schier,
Vom nächsten Baum die Krücke mir, -
Nun galt es heimwärts wallen.

Und als ich kam ans liebe Haus
Und träumte schon von Küssen,
War's schnell mit meinem Jubel aus,
Fast hätt' ich fluchen müssen.
Denn meine liebe, weiße Hand,
Die damals allen Schmerz gebannt, -
Sie hob sich nicht zum Grüßen.

Entsetzt hob sich empor die Hand,
Als ich ihr bot die meine;
Die Blicke starrten schreckgebannt
Nach dem zerschoss'nen Beine.
Es sträubte sich empor ihr Haar,
Ihr Auge, sonst so sonnenklar,
Zuckt fast in wirrem Scheine.

So stand sie da. Da ward mir's hell,
Wie anders es geworden, -
Kein Blitz traf mich so jäh und grell
In all dem Krieg und Morden.
Barmerz'ger Gott, da ward mir's klar:
Daß schwarz mein Antlitz, weiß mein Haar,
Daß ich ein Krüppel worden.

Sie floh ins Haus, ich blieb allein,
Ich hielt sie nicht zurücke, -
Da schmerzte erst das wunde Bein,
Da drückte erst die Krücke!
Ich warf sie in den Mühlenbach,
Und sah ihr seufzend lange nach,
Wie dem entflohnen Glücke.

Nun sitz' ich auf dem Brückenstein,
Der Wind zaust meine Haare,
Tag aus, Tag ein, Mond aus, Mond ein,
Kaum zähl' ich mehr die Jahre.
Das einst mir alles nahm, das Bein,
Jetzt bringt's mir Münz' um Münze ein:
Ich bettle - "Pour la Gloire!"
Text: Udo Brachvogel - Lizenz: Public Domain