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Das Lob Helenens

Am Tage ihrer Vermählung
O Bräutigam, welch eine Braut
Wird deinem Arm zur Beute;
Bei meiner Leyer schwör' ich's laut:
Die Krone schöner Bräute!

Wer zweifelt, wandre hin und her,
Rings um die alten Gleichen!
Kein schönres Fräulein findet er
In allen Königreichen. -

Ihr Blick verheißt ein Paradies;
Die Wang' ist Morgenröthe;
Und ihre Stimme tönt so süß,
Wie König Friedrichs Flöte.

Noch mehr! Des Dichters Phantasei
Verräth es seiner Leyer,
Daß ihre Lippe süßer sei
Als Honig und Tokaier.

Ihr schlanker Wuchs ... Doch wie vermag
Ich jeden Reiz zu singen?
Kaum reicht ein langer Sommertag,
Ihr Loblied zu vollbringen.

Sie weichet nicht in Griechenland
Der schönen Namensschwester;
Doch hält ihr Herz das goldne Band
Der Liebestreue fester. -

Sie hätten in der Wunderzeit
Der Riesen und der Mohren,
Die Paladine weit und breit
Zur Dame sich erkoren.

Ihr Name hätt' im Feldpanier
Den Rittern Muth geschimmert,
Und Schild und Lanzen im Tunier
Zu tausenden zertrümmert.

Wär' sie geboren auf der Flur,
In jenem goldnen Jahren,
Als ritterliche Lanzen nur
Noch Hirtenstäbe waren:

So hätt' um sie, in Flur und Hain,
Ein jedes Lied geworben.
Wohl Mancher wär' in Liebespein
Nach Schäferart gestorben. -

Sieh', solche Braut zieht deine Hand
Hinweg aus unsern Blicken.
Wie neiden wir das fremde Land,
Das Helena soll schmücken!

Ach! Welche Nachbarin ersetzt
Sie unsern Nachbarsöhnen?
Und welche wird die Reigen jetzt,
Wie Helena, verschönen?

Du müßtest wohl mit blankem Speer,
O Mann, sie erst erwerben,
Und billig schäferlich vorher
Ein Paar Mal für sie sterben! -

Doch wirst du künftig, ohne Leid,
Sie auf den Händen tragen,
Und immer, nach Verdienst, wie heut,
Ihr honigwörtchen sagen,

So sei es drum! Wir lassen sie
In Frieden unsertwegen.
Die Liebe segne dich uns sie
Mit ihrem besten Segen!
Text: Gottfried August Bürger - Lizenz: Public Domain