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Der Fischer und der Geist

Ein guter alter Fischer stand
Frühmorgens einst am Meeresstrand;
Sein dünnes Haar, bereift mit Duft,
Weht in der kalten Morgenluft;
Er steht und blickt mit schwerem Sinn
Starr auf die grauen Wellen hin
Und wischt sich seufzend Stirn' und Wangen.
"Du lieber Gott! die ganze Nacht
In Frost und Nässe durchgewacht,
Und keine Gräte noch gefangen!
Vier arme Kinder und mein Weib
Erwarten mein mit hungrigem Leib':
Ach! heim zu kommen mit leeren Händen,
Wird mir das Herz im Leib' umwenden!
Vier Kinder und kein Bissen Brot!
Laß dich's erbarmen, lieber Gott!
Nur diesen einz'gen letzten Zug!
Auch wenig ist mir schon genug."

Er wirft sein Netz noch einmal aus
Und harret zwischen Angst und Hoffen;
Versucht's nun, zieht und zieht betroffen
Mit Müh die frohe Last heraus.
"Gottlob! das heiß' ich wohl beschwert!
Ist mir doch endlich ein Glück beschert!
Wie wird mein Weib mit unsern Kleinen
Vor Freude springen und lachend weinen,
Wenn Vater so reich nach Hause kehrt!"
So dankt er froh gen Himmel auf:

Doch bald folgt Ach und Weh darauf;
Denn, wie er's besieht, der arme Tropf,
So ist's - ein kahler Eselskopf,
Vermengt mit Rippen, Schlamm und Steinen.

Jetzt sinkt dem Alten Arm und Mut.
Da steht er auf der nassen Klippe,
Starrt vor sich in in stiller Wut,
Dann seufzend nieder aufs Gerippe,
Dann himmelswärts mit bitterm Blick,
Dann wieder auf sein Netz zurück.
Mittrauernd murmeln die Wellen empor,
Mittrauernd seufzt der Wind im Rohr.
Was stehst du da und ringst die Hände?
(So murmelt's ihm ins dumpfe Ohr)
Stürz dich hinein, so hat's ein Ende!

Indem so blitzt der erste Strahl
Der Sonne, wie in eine Höhle
Voll Nacht und Graun, in seine Seele.
Er fühlt den allbelebenden Strahl
Im fröhlich zücken durch alle Glieder;
Wie Nebel sinkt sein Kummer nieder;
Auf einmal glaubt und hofft er wieder
Und wäscht sein Netz zum dritten Mal'.

Er harret lange mit wechselndem Mut,
Die Augen geheftet auf die Flut;
Und nun versucht er's. Schwerer als nie
Däucht ihm das Netz. Er zieht mit Müh';
Erwartung spannt die hagern Wangen;

Er zieht's an Land, guckt voll Verlangen,
Doch Fische hat er nicht gefangen:
Nichts zeigt sich, als, von Rost geschwärzt,
Ein länglich rundes Gefäß von Erzt.
Er kann es kaum vom Boden heben.
"Ein Schatz, ein Schatz, bei meinem Leben!
Ein Schatz!" - und aus der schlaffen Hand
Fällt's ihm vor Freuden in den Sand.
Wär' auch am Ende nichts darin,
(Denkt er) trag' ich's zum Gießer hin,
So wird mir doch so viel Gewinn,
Auf sieben Tage Brot zu kaufen.
Er setzt sich hin, um zu verschnaufen,
Beguckt den Fund und sieht am Rand'
Ein großes Siegel aufgedrücket.
Dies hebt er auf, doch unzerknicket,
Und setzt den Deckel in den Sand.
Er guckt hinein, er leert es aus;
Wo nichts ist, kommt auch nichts heraus.
Des wundert ihn gar mächtiglich;
Was wird das werden? fragt er sich.

Auf einmal steigt ein schwarzer Rauch
Aus des Gefässes hohlem Bauch,
Verbreitet sich immer weiter umher,
Liegt wie ein Berg auf Land und Meer.
Der Tag erlischt, es donnert und stürmt,
Das Meer sich bis zum Himmel türmt.
Der Fischer, mit kalter Angst erfüllt,
Steht leblos, wie ein steinern Bild.
Plötzlich folgt eine Todesstille.
Der Nebel überwälzt sich, ballt
Zusammen sich, gewinnt Gestalt,
Und aus der grauen Wolkenhülle,
Die links und rechts herunter wallt,
Streckt ungeheure Riesenglieder
Ein fürchterlicher Geist hernieder.
Aus seinem Fußtritt fahren Flammen,
Die Ufer zittern unter ihm.
Dem Fischer schlagen ungestüm
Vor Todesangst die Knie zusammen;
Er unterliegt der Gegenwart
Des Wesens einer höhern Art.

Da faßt der Genius ihn beim Arm.
Stracks wird's ums Herz ihm wieder warm,
Und, Mut und Leben kehrt zurück.
Drauf spricht der Geist mit milderm Blick:
Du bist mein Retter! - Eblis ist
Mein Name. Sieben tausend Geister
Gehorchten mir als ihrem Meister,
Bis durch verdammte Hinterlist
Mich Salomon - nicht überwand -
Nein, dazu konnt' er mich nicht bringen!
Den Willen kann kein Gott bezwingen!
Selbst, als im Sturm mich seine Hand
In dies verfluchte Erz verschlossen,
Fühlt' er noch meinen Widerstand!
Doch diesen Deckel aufzustoßen,
Den seines Siegels Allmacht schloß,
Vermocht' ich nicht. Ein Geisterschloß
Kann eine Welt zu Staub zerschmeißen,
Dies Siegel nur kann nichts zerreißen.

Du schwaches Gefäß von Fleisch und Blut,
Du hobst es, oder durch deine Hände
Das Schicksal - gleich viel! Fasse Mut!
Nun mach' ich deiner Not ein Ende.
Dir ward auch übel mitgespielt;
Hast nie des Lebens Freuden gefühlt;
Komm' Alter, ich will dich glücklich machen,
Auf, folge mir!

Der Fischer steht
Betäubt von allen den Wundersachen;
Geht mit und weiß kaum, dass er geht;
Berg auf, Berg ab, durch Sumpf und Rohr,
Durch Dick und Dünn, über Feld und Moor
Trabt er und traut sich kaum zu schnaufen.
Und, als sie ziemlich weit gelaufen,
Langt müd' und matt der gute Mann
An einem See mit Eblis an;
An einem See, der, wie ein Spiegel,
Längs eines öden Tals sich streckt,
Auf jeder Seite von einem Hügel
Umgränzt, den Fichtenschatten deckt.

Der Fischer stutzt. Ich sollte doch
(So denkt er) diese Gegend kennen
Und sah in meinem Leben noch
Dies Wasser nie, noch hört' ich's nennen.
Wie geht dies zu? Gott steh mir bei!
Es ist doch wohl nicht Zauberei?


Der Geist las Alles, was er dacht',
Als ständ's ihm auf der Stirn gegraben;
Doch sprach er nichts, als dies: Gib Acht!
Hier sollst du was zu fischen haben!
Präg' Ort und Weg den Sinnen ein!
Doch merk's: nur einmal jeden Morgen
Darfst du mit Fischen dich hier versorgen,
Sonst würdest du des Todes sein!

So sprach mit einer Donnerstimme
Der Geisterkönig und verschwand.
Und lange noch bebt Meer und Land,
Und von den Hügeln hallt die Stimme
(Gleich einem Wasser, das mit Grimme
Stürzend von Fels zu Fels sich brach)
Dem längst verschwundnen Geiste nach.

"War das ein Traum? Wo bin ich? ruft
Der gute Mann und reibt die Stirne;
Gaukelt vielleicht im Morgenduft'
Ein Truggesicht mir ums Gehirne?
Doch dieser See, so tief und klar
Und wimmelnd voll der schönsten Fische!
Wie üppig sie' scherzen! - O, fürwahr,
Die sollen auf unsers Sultans Tische
In goldner Schüssel herrlich stehn!
Nie sah ich Fische so groß und schön!"

Mit diesem Wort wirft er voll Freuden
Sein Netz hinein, hat seiner Leiden
Vergessen ganz, tut einen Zug,
Und, seht, vier große Fische zappeln!
Für diesmal, denkt er, sei's genug,
Bricht grüne Zweige von den Pappeln
Am Ufer, deckt den Zuber zu,
Und, reich wie ein Emir in seinem Sinn,
Steurt er, mit Flügeln an jedem Schuh,
Zur hochgetürmten Hauptstadt hin.

Was ihn am meisten wundert und freut,
Ist seiner Fische buntes Kleid.
Gelb ist der eine, der andre blau,
Der dritte rot, und silbergrau
Der vierte; jeder vom Kopf zum Schwanz'
Einfärbig, aber so fein von Glanz,
Als ob's das schönste Schmelzwerk wär.
Wo kommen alle die Wunder her?
Doch, komm das Glück, woher es will,
Nimm's an mit Dank und mausestill!

Der gute Fischer, ziemlich matt,
Hat nun erreicht die Königsstadt.
Er eilt nach Hofe dem Sultan zu;
Der hält im Divan - Morgenruh';
Und als der Divan zu Ende war,
Stellt er dem Herrn die Fische dar.
Der Sultan (wie alle große Geister)
Macht wenig draus; doch freut er sich
Im Herzen darüber kindelich
Und schickt sie stracks zum Küchenmeister;
Geruht auch gnädigst zu befehlen,
Dem Fischer alsbald auf dem Platz
Vierhundert Bahams aufzuzählen.

Vierhundert Bahams, welcher Schatz
Für einen armen nackten Fischer!
Denkt, ob er in seinem Leben frischer
Der Hütte zugetrabt sein mag!
"Der Geist hat doch sein Wort gehalten,
Das nenn' ich einen guten Tag!"

Lassen wir nun den guten Alten,
Umringt von seinem Häuslichen Chor,
An seinen vierhundert Bahamsd'or
Sich satt sehn, gegen die Sonne sie halten
Und zählen, wie viel er Bahams hätte,
Gäb's alle Morgen so eine Mette
Acht Tage nur - Wir müssen sehn,
Wie nun die Sachen bei Hofe gehn.

Der Großwesir, als erster Rat
In Küchensachen wohl beschlagen
Und überzeugt, in einem Staat
Sei immer das große Rad - der Magen,
Hatte mit eigner hoher Hand
Die Fische (die ihm sehr behagen,
Wiewohl er sie etwas teuer fand)
Dem ersten Mundkoch zugetragen
Und ihm, was sich dabei gebührt,
Mit allem Ernst zu Gemüt geführt.

Der Mundkoch keine Zeit verliert;
Er schuppt sie ab, leert ihnen die Bäuche,
Wäscht sie in Essig und rotem Wein,

Reibt sie mit Specereien ein,
Kurz, wartet aller heil'gen Gebräuche
Des Küchendienstes, wohl berühmt,
Wie einem Priester des Komus ziemt.

Schon war das doppelte Fischepaar
Auf einer Seite gebraten und gar;
Schon steht er, mit der Gabel in Händen,
Sie in der Pfanne umzuwenden;
Da fährt ihm plötzlich ein kalter Schauer
Durch Mark und Bein; ein heller Glanz
Erfüllt die schwarzen Gewölbe ganz,
Und aus der unversehrten Mauer
Springt eine Dame, so schön und zart,
Als je die schönste von Feenart;
So majestätisch von Gestalt,
Im Auge solche Allgewalt!
Ein weißatlassnes Prachtgewand
Floß von den Hüften in leichten Falten;
Mit einem Gürtel von Diamant
Dicht an der Brust zusammen gehalten,
Und wie in goldnen Strömen wallten
Lichtgelbe Locken um einen Hals,
Den zu umhalsen allenfalls
Ein Schah vieler Städte gegeben hätte;
Um ihren Busen hing eine Kette
Von Perlen, wie große Tropfen Tau,
Doch gegen den Schnee des Busens grau,
Und um die runden Arme wand
Sich ein rubinbesetztes Band.

Der Koch, der starr vor Wunder stand,
Wünscht sich von Gott zehntausend Augen,
Um alle die Schönheit einzusaugen.

Die Dame achtet seiner nicht.
Sie tritt voll Ernst zur Pfanne hin,
Schlägt dreimal auf die Fische drin
Mit einem Myrtenreif' und spricht:
Ihr Fische, tut ihr eure Pflicht?
Die Fische schwiegen und mucksten nicht.

Zum andern Mal die Dame spricht:
Ihr Fische, tut ihr eure Pflicht?
Die Fische schwiegen und mucksten nicht.

Zum dritten Mal die Dame spricht:
Ihr Fische, tut ihr eure Pflicht?
Da reckten die Fische die Köpf' empor
Und sangen alle in hellem Chor:
Der Pflicht vergessen
Wir Fische nie;
Haben viel Müh'
Und karg zu essen,
Baun spät und früh'
Uns luft'ge Schlösser,
Hätten's gern besser
Statt immer schlimmer,
Und raten immer
Und treffen's nie.

Die Fische, da sie dies gesungen,
Senkten die Köpfe und blieben stumm.
Die Dame stieß die Pfanne um,
Und durch die Wand, wo sie hervor gesprungen,
Verschwand sie wiederum.

Der Mundkoch steht versteinert da,
Glaubt kaum sich selber, was er sah,
Und fasset kaum noch so viel Mut,
Die Fische zu retten aus der Glut;
Doch, wie er sie mit der Gabel handelt,
Sind sie - o Wunder! - in Kohlen verwandelt.
Der arme Mann begann wie toll
Die Küche auf und ab zu laufen,
In seiner Verzweiflung bei Händenvoll
Die Haare sich aus dem Kopfe zu raufen!
"Was kann ich sagen, wer wird mir's glauben?
Des Sultans Grimm ist Löwengrimm;
Es ist kein Räsonieren mit ihm;
Er läßt mir den Hals zusammen schrauben!"

Indem erscheint der Großwesir,
Die Fische zur Tafel abzuholen,
Und findet, welche Ungebühr!
Statt einer leckern Schüssel - Kohlen.
Der Koch ihm weinend zu Fuße fällt,
Erzählt die ganze Wundergeschicht
So treu - es hätte seinem Bericht'
Ein Freigeist Glauben zugestellt!
Ich lese die Wahrheit in deinem Gesicht,

(Spricht der Wesir) doch um die Welt
Erzählt' ich sie dem Sultan nicht;
Er hielt's, bei Gott! für ein Gedicht.
Es können wohl seltsame Dinge geschehen,
Allein - man muß sie selber sehen.
Ich trag' ihm etwas Andres vor,
Das er nur hört mit halbem Ohr';
Und wenn er die Fische morgen kriegt,
Ist er für heute schon vergnügt.

Befehligt wird der Fischer gleich,
(Bei hoher Straf') im nämlichen Teich
Zum Frühmahl für den nächsten Morgen
Vier andre Fische zu besorgen.

Dem Mann wird's eng' in seiner Haut:
"Wie wenn ich den Ort nicht wieder fände?
Das nähme wohl gar ein klatrigs Ende!
Ein Narr, der einem Geiste traut!"
So denkt er, und doch, sobald es graut,
Nimmt er sein Netz, trabt auf und nieder,
Durch hecken und Büsche, durch Sumpf und Rohr,
Durch Dick und Dünn, über Feld und Moor,
Und findet See und Fische wieder;
Fängt ihrer vier, gelb, silbergrau
Und blau und rot, wie jene genau;
Kehrt um, trägt sie nach Hof, erhält
Vierhundert Bahams bares Geld
Und überläßt die weitre Gebühr
Dem Mundkoch' und dem Großwesir.

Um seine Sache gewiß zu sein,
Schließt dieser mit dem Koch sich ein.
Der Koch, dem solche Ehre nie
Geworden, erschöpft sein ganzes Genie,
Sein Amt an diesen Fischen heute
Pflichtmäßiger noch als jüngst zu tun.
Alles gelingt. Und wie sie nun
Gebraten sind auf einer Seite,
Kehrt er sie um. Im nämlichen Nu
Springt aus der Mauer am Kamine
Die schöne Dame von gestern herzu,
Mit ihrer majestetischen Miene,
In ihrem weißatlass'nen Gewand,
Vom Gürtel mit Edelsteinen gebunden,
Un ein rubinbesetztes Band
Um jeden runden Arm gewunden,
Und in der kleinen weißen Hand
Ein Myrtenreis. So tritt sie hin
Zur Pfanne, schlägt die Fische drin
Mit ihrem Myrtenreif' und spricht:
Fische, tut ihr eure Pflicht?
Und als sie die Worte zum dritten Mal
Gesprochen, reckten allzumal
Die Fische geduldig die Häupter empor
Und sangen alle im hellem Chor:
Die Pflicht vergessen
Wir Fische nie;
Haben viel Müh'
Und karg zu essen,

Baun spät und früh'
Uns luft'ge Schlösser,
Hätten's gern besser
Statt immer schlimmer
Und raten immer
Und treffen's nie.

Die Fische, da sie dies gesungen,
Senkten die Köpfe und blieben stumm.
Die Dame stieß die Pfanne um,
Und durch die Wand, der sie entsprungen,
Verschwand sie wiederum.

Nun, rief der Wesir, bei meinem Bart,
Das ist zu arg! wer darf gestehen,
Er habe so was mit Augen gesehen?
Was einem vor der Nase geschehen,
Nicht glauben dürfen, bei Gott, ist hart!
Und doch, gesehen ist gesehen!
Und käme die Philosophie
In eigner Person, mir vorzukrähen,
Ich hätte nichts gehört und gesehen,
Ich gäb' ihr, mit Respekt! ein Knie
Vorn Hintern. Gleichwohl weiß ich schon,
Der Sultan, wenn wir's ihm berichten,
Glaubt uns kein einzig Wort davon,
Und ich verdenk' es ihm mit nichten.
Man glaubt so was sich selber kaum,
So sehr gleicht's einem Fiebertraum'.
Indes die Anzeig muß geschehen;
Er mag dann kommen und selber sehen!

Der Sultan, ein kluger Herr - wie leicht
Zu glauben - rümpft die Stirne, streicht
Unglaubig seinen Knebelbart
Und spricht: Ich will es selber sehen!

Dem Fischer sogleich befohlen ward,
Stracks wieder nach dem See zu gehen.
Der hat sich, weil die Reise weit,
Nur vier und zwanzig Stunden Zeit;
Ging dann zum dritten Male, bevor
Der Morgen graute, hinaus zum Tor,
Berg auf, Berg ab, Über Feld und Moor,
Durch Dick und Dünn, durch Sumpf und Rohr,
Sah voller Freuden, Alles steh'
Am alten Ort, kam an den See,
Warf aus sein Netz und fing euch wieder
Vier Fische, wie die vorigen, blau,
Und gelb und rot und silbergrau.
Traun! denkt er, der Genie ist bieder,
Ich hätt' es ihm nicht zugetraut!
Und kehrt mit seiner Beute wieder,
Und wohl ist ihm in seiner Haut!
Er trägt die Fische nach Hof, erhält
Vier hundert Bahams schönes Geld,
Hat nun zwölf Hundert bar und ist
Ein reicher Mann zu dieser Frist.

Der Sultan beginnt, nicht ohne Grauen,
Die Fische an Rücken und Bauch beschauen,
Kopf, Floß und Schwanz examinieren
Und, ob sie reden können, probieren:

Wiewohl er am Ende nichts dran find't
Als eben, dass es Fische sind.

Um nun zu sehn, wie's weiter geht,
Schließt er sich ein mit dem Wesir,
Den Fischen und allem Kochgerät,
Verriegelt eigenhändig die Tür,
Läßt Feuer auf dem Herde machen,
Stirbt vor Erwartung der Dinge schier
Und schwört beim Bel zu Babylon,
Er glaube nicht ein Wort davon.

Und nun gebt Acht! Der Großwesir,
Stets seines Herren Wink gewärtig,
Macht sich zum neuen Dienste fertig!
Bind't eine weiße Schürze für,
Geht frisch ans Werk, nach Küchenbrauch,
Schuppt ab die Fische, leert ihnen den Bauch,
Wäscht sie in Essig und rotem Wein,
Legt sie dann in die Pfanne fein,
Tut Öl und Salz und Pfeffer hinein,
Und was sich sonst hinein gebührt,
Setzt's auf die Glut, und bläst und schürt.
Der Sultan, erfreut die neuen Gaben
An seinem Diener entdeckt zu haben,
Spricht: Sag' ich nicht immer, ein großer Mann
Ist halt ein Mann - der Alles kann!

Wie nun die Fische ganz gelind'
Auf einer Seite gebraten sind,

Faßt der Wesir die goldne Kelle
Und kehrt sie um. Da springt zur Stelle
Ein Mohr in feuerfabnem Gewand'
Anstatt der Dame aus der Wand.
Mit grünem Stab' in seiner Hand
Tritt er ergrimmt zur Pfanne hin,
Schlägt dreimal auf die Fische drin
Und trotzig mit donnernder Stimme spricht:
Fische, tut ihr eure Pflicht?
Die lassen sich nicht dreimal fragen,
Vermutlich weil das Mohrengesicht
Sie etwas derb auf die Nasen geschlagen.
Sie recken die offnen Mäuler empor
Und singen Alle in hellem Chor
Von Wort zu Wort den alten Sang,
Der zweimal schon ums Ohr uns klang,
Schweigen dann wieder und bleiben stumm.
Der Neger stößt die Pfanne um,
Die Fische liegen schwarz wie Kohlen
Am Herd', und durch des Zimmers Wand
Hat, schneller als ihr eure Hand
Umkehrt, der Mohr sich weggestohlen.

"Nun, sagt' ich's Eurer Hoheit nicht? -
Den Mohren bei Seite, die gleiche Geschicht!
Die Dame, mit ihren schönen, warmen,
Schneeweißen Busen und runden Armen,
Tat einem freilich in Augen besser,
Als dieser schwarze Kinderfresser;
Und doch am End' ist's einerlei,
Sind beide verschwunden, so ist's vorbei."

Der Sultan spricht: Was ich gesehen,
Scheint über die Möglichkeit zu gehen;
Es raubt mir die Seelenruh',
Und, bis wir's aus dem Grund verstehen,
Schließ' ich, bei Gott! kein Auge zu.

Er läßt sogleich den Fischer kommen:
"Es geht da mit den Fischen, die du
Uns brachtest, nicht ganz richtig zu;
Sag' an, wo hast sie hergenommen?"

Der Fischer spricht: Aus einem See
Dort hinter jenes Berges höh',
Auf den ich mit dem Finger weise.

"Ich weiß in diesem ganzen Kreise
Zehn Meilen weit von keinem See,
Und doch sind's so viel Jahr' und Tage,
Dass ich in dieser Gegend jage.
Kennst du den See vielleicht, Wesir?"

Ich hörte nie in meinem Leben,
Dass es hier einen See gegeben.

"Sprich, Fischer, liegt er weit von hier?"

Drei Stunden, Herr König, höchstens vier.

"So führe mich dahin! - Wesir,
Sag's eilig allen meinen Leuten!
Der ganze Hof soll mich begleiten."

Der ganze Hof in kurzer Frist
Gestiefelt und beritten ist.
Ein hehrer Zug! Aus allen Straßen
Lief stromweis' alles Volk herbei,
Voll Neugier, was die Sache sei;
Sie gafften aus großen Augen, vergaßen
Essens und Trinkens, vergaßen des Schlafs,
Rieten und stritten, und Niemand traf's.

Fort geht der Zug; der Fischer voran:
Und als sie den Berg herab gekommen
Und jetzt vier Hügel vor sich sahn,
Die Niemand zuvor je wahrgenommen,
Und zwischen den Hügeln den großen See
Und in dem See die Menge von blauen,
Gelben, roten und silbergrauen
Fischen; da däucht's der ganzen Schar,
Sie guckten durch eine Zauberbrille;
Sie schrieen aus einem Munde: fürwahr,
Hier stehen einem die Sinne stille!

Der Sultan schwört den größten Schwur,
Bis er dem Wunder auf die Spur
Gekommen, nicht von dannen zu weichen,
Und sollten Jahre drüber vertreichen.

Stracks werden für den ganzen Hof
Am Ufer Zelte aufgeschlagen.
Zu allerseitigem Behagen
Stand bald auch eine Küche da.

Denn der Wesir - der, was geschah,
Weislich vorher im Geiste sah -
Hatte vor Allem für den Magen
(Sein großes Faktotum) Sorge getragen.
Da komme mir (pflegt' er oft zu sagen)
Kein Doktor mit seinen Sprüchen daher
Und spreche was Andres! Bei leerem Magen
Sind alle Übel doppelt schwer.

Als nun der Hof zwei Stunden vor Tag
In Wein und Schlaf begraben lag,
Berief der Sultan den Großwesir
Und sprach zu ihm: Vor allen Dingen
Nichts remonstrirt, Herr Großwesir!
Mein Schluß steht feste, die Wunder, die mir
Den Kopf verwüsten, ins Klare zu bringen,
Es mag nun wohl oder übel gelingen;
Ich geh' allein, und du bleibst hier.
Komm' ich nicht wieder in sieben Tagen,
So kehrt gelassen zur Stadt zurück.
Den Leuten, die etwa nach mir fragen,
Ist leicht was Scheinbars vorzusagen;
Bald hab' er Halsweh, bald Kolik,
Bald Podagra, bald Krampf im Magen.
Regiert im Übrigen mit Glück!
Verschiebt, so viel ihr könnt, auf morgen;
Sorgt immer für den Augenblick,
Und Gott laßt für die Zukunft sorgen.

Nach diesem weisen Abschiedswort
Macht er sich auf die Füße, betet
Sein Morgengebet und wandert fort,
Bis sich der graue Himmel rötet;
Wandert mit unerschrocknem Sinn'
Am öden einsamen Ufer hin.

Traurig und still, wie eine Gruft,
Liegt Hügel, Tal und Hain umher;
Alles, sogar die freie Luft,
Wie vor der Schöpfung, wüst und leer!

So geht er wohl zwei Stunden lang;
Schier wird ihm vor dem Ausgang bang':
Als bei dem ersten Morgenstrahl,
Der hin am östlichen Himmel flimmert,
Ein Schloß von hell poliertem Stahl'
Ihm fernher in die Augen schimmert.
Text: Christoph Martin Wieland - Lizenz: Public Domain